Italien verbietet Smartphones in Schulen und diskutiert Einschränkungen für Jugendliche
14.09.2024 – Zum Beginn des neuen Schuljahres tritt in Italien ein umfassendes Verbot von Smartphones an Schulen in Kraft. Zudem wird über eine Altersbeschränkung für Social-Media-Profile für Jugendliche unter 16 Jahren nachgedacht.
Smartphones sind allgegenwärtig: beim Einkaufen, Fahren, Essen, Spazierengehen und im Fitnessstudio. Sie werden zum Lesen, Telefonieren und Texten genutzt – sowohl von Erwachsenen als auch noch intensiver von Jugendlichen. Laut aktuellen Studien verbringen 47 Prozent der italienischen Jugendlichen zwischen 11 und 19 Jahren täglich mehr als fünf Stunden online.
Bildungsminister Giuseppe Valditara sieht hierin eine problematische Entwicklung. Mit Beginn des Schuljahres hat er daher ein landesweites Smartphone-Verbot für Schulen aller Stufen angeordnet. Auch zu didaktischen Zwecken dürfen diese Geräte nicht mehr verwendet werden. Tablets und Computer bleiben erlaubt, jedoch nur unter Aufsicht der Lehrkräfte. Hausaufgaben sollen die Schüler wieder mit Papier und Stift erledigen.
Valditara beruft sich dabei auf den Unesco-Bildungsbericht von 2023, der einen negativen Zusammenhang zwischen übermäßiger Nutzung digitaler Technologien und den schulischen Leistungen der Schüler feststellt. „Ich glaube nicht, dass man mit einem Mobiltelefon gut unterrichten kann“, erklärte Valditara bei der Vorstellung der Verordnung im Juli.
Ermutigende Erfahrungen gibt es bereits: Vor zwei Jahren führte das Liceo Malpighi in Bologna ein Smartphone-Verbot ein, was landesweit für Aufsehen sorgte. Die Ergebnisse seien vielversprechend, so die Verantwortlichen. Fälle von Cybermobbing gingen deutlich zurück, die Ablenkung im Unterricht nahm ab, das Sozialverhalten der Schüler verbesserte sich und sie schliefen besser.
Kritiker sehen das Verbot jedoch skeptisch. Statt das Problem direkt anzugehen, setze man auf ein pauschales Verbot, meint Roberto Franchini, Dozent für Sonderpädagogik an der Universität Brescia. Die Schule solle die Schüler zu einem vernünftigen Gebrauch der Smartphones anleiten und sie sinnvoll in den Unterricht integrieren.
Eine prominente Gruppe um den Pädagogen Daniele Novara und den Psychotherapeuten Alberto Pellai fordert sogar noch strengere Maßnahmen: Jugendlichen unter 14 Jahren solle der Besitz eines Smartphones verboten werden und die Altersgrenze für Social-Media-Profile solle auf 16 Jahre angehoben werden. Derzeit liegt diese Grenze in Italien bei 14 Jahren.
Die Unterstützer dieser Forderungen argumentieren auch mit Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft. Bestimmte Hirnregionen, die für das kognitive Lernen wichtig sind, könnten sich nicht vollständig entwickeln, wenn Kinder nur digitale Erfahrungen machen.
Trotz dieser Forderungen bleibt die Umsetzung solcher Maßnahmen schwierig. Daniele Novara fordert staatliches Eingreifen, da Eltern und Gesellschaft es nicht allein schaffen würden, den Gebrauch von Smartphones und Social Media zu regulieren.
Die Digitalisierung ist jedoch auch in Italien fest verankert. Während Bargeld im Alltag noch weit verbreitet ist, sind viele Dienstleistungen ohne Handy kaum noch denkbar. Die Italiener haben eine bemerkenswerte Fähigkeit gezeigt, neue Technologien in ihr Leben zu integrieren.
Insgesamt bleibt es fraglich, wie erfolgreich diese Verbote und Appelle sein werden. Die Initiatoren betonen allerdings, dass sie nicht technologiefeindlich sind und erkennen an, dass Technologien oft zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen können. Dies passt auch zum aktuellen Zeitgeist in Italien, wo die Regierung von Giorgia Meloni zuletzt zum Schutz der heimischen Fleischwirtschaft ein Verbot von Laborfleisch erließ.
Die Spannung zwischen dem lockeren Umgang mit neuen Technologien und gleichzeitigem Streben nach Regulierung bleibt eine der vielen Widersprüchlichkeiten in Italien.